Entwurf eines Gesetzes zum Ausbau der Hilfen für Schwangere und zur Regelung der vertraulichen Geburt

06. Juni 2013 | Bundespolitik | 
Persönliche Erklärung nach § 31 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags zu TOP 14

der Abgeordneten Katja Dörner, Ekin Deligöz, Dr. Thomas Gambke, Kai Gehring, Bettina Herlitzius, Ingrid Hönlinger, Ute Koczy, Sylvia Kotting-Uhl, Oliver Krischer, Nicole Maisch, Jerzy Montag, Friedrich Ostendorff, Hermann Ott, Lisa Paus, Tabea Rößner, Ulrich Schneider, Dorothea Steiner, Wolfgang Strengmann-Kuhn, Harald Terpe, Arfst Wagner


Die Ziele, die mit dem Gesetzentwurf zur Regelung der vertraulichen Geburt verfolgt werden, befürworte ich uneingeschränkt. Es ist wichtig, eine rechtssichere Alternative zur Babyklappe und auch zur anonymen Geburt zu schaffen und damit insbesondere die Babyklappen möglichst überflüssig zu machen. Frauen, die sich in einer solchen psychosozialen Ausnahmesituation befinden, dass sie die Babyklappe in Erwägung ziehen, sollen sich nicht gezwungen sehen, ohne medizinische Begleitung zu entbinden und damit ihr eigenes Leben und das Leben ihres Kindes zu gefährden. Mit der neuen gesetzlichen Regelung soll zudem für das betroffene Kind die größtmögliche Chance sichergestellt werden, Kenntnis über seine Abstammung zu erlangen. Die Kenntnis der Abstammung ist ein Grundrecht. Viele Menschen, die ihre Wurzeln nicht kennen, leiden oft ein Leben lang unter diesem Umstand.


Damit diese Ziele erreicht werden können, müssen die neuen gesetzlichen Regelungen einen für die betroffenen Frauen tatsächlich gangbaren Weg gewährleisten. Ich bin sehr skeptisch, ob dies mit dem vorliegenden Gesetzentwurf gelingt. Aus meiner Sicht werden die Interessen der Mütter mit Blick auf deren Anonymitätsbedürfnis und die Interessen der Kinder mit Blick auf deren Recht auf Kenntnis der Abstammung nicht in einen guten und tragbaren Ausgleich zueinander gebracht. Ich bin skeptisch, weil es um Frauen geht, die sich in einer von ihnen als absolut ausweglos empfundenen Situation befinden, viele verdrängen die Schwangerschaft oder verheimlichen die Schwangerschaft selbst vor den engsten Familienangehörigen, ein reguläres Adoptionsverfahren wird aufgrund der eigenen Situation als völlig unmöglich erachtet, ein gemeinsames Leben mit dem Kind sowieso.


Studien belegen, dass die Zusicherung absoluter Anonymität für viele Frauen eine Grundvoraussetzung dafür ist, sich überhaupt auf einen Beratungs- und Unterstützungsprozess einzulassen. Zu diesem Ergebnis kommt auch die DJI-Studie „Anonyme Geburt und Babyklappe in Deutschland“ aus dem Jahr 2012. Es muss Hauptinteresse des Gesetzgebers sein, Frauen in ihrer Notlage zu erreichen, zu stabilisieren, Wege und Alternativen aufzuzeigen. Mit der im Gesetzentwurf vorgeschlagenen Regelung ist die Anonymität der Mutter letztlich nicht sicher gestellt. Ich halte das für einen Webfehler im Gesetzentwurf.


Es ist schwerlich vorstellbar, dass es für eine werdende Mutter in einer solchen Ausnahmesituation wie beschrieben, die sich über das Verfahren einer vertraulichen Geburt beraten lässt, akzeptabel ist, dass im Zweifelsfall ein Familiengericht darüber entscheidet, ob ihre Anonymität dem Kind gegenüber preisgegeben wird –selbst wenn dies frühestens 16 Jahre nach der Geburt geschieht. Donum Vitae e.V. kommt in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf auf der Grundlage seiner Beratungserfahrung zu dem Schluss: „Keine Frau, die sowieso schon in einer extrem schwierigen Situation lebt, wird sich darauf einlassen.“


Es ist ein großer Vorteil einer vertraulichen Geburt, dass die Daten der Mutter hinterlegt werden und damit die Möglichkeit eröffnet wird, dass das betroffene Kind Kenntnis über seine Abstammung erlangt, dass Mutter und Kind sich eventuell auch kennen lernen, denn auch viele Mütter haben später den dringenden Wunsch, mit ihren Kindern doch in Kontakt zu treten. Damit die vertrauliche Geburt aber ein wirklich gangbarer Weg für die Mütter ist, halte ich es für notwendig, dass wirklich beide, Mutter wie Kind, die Preisgabe der Identität wollen und kein Zwang im Spiel ist.


Angesichts meiner Skepsis was das mit dem Gesetzentwurf vorgeschlagene Verfahren der vertraulichen Geburt angeht, halte ich es für konsequent und notwendig, dass die bestehenden Angebote anonymer Kindsabgabe und die vorhandenen Babyklappen bestehen bleiben und im Kontext der neuen Regelung zur vertraulichen Geburt zunächst evaluiert werden sollen. Da ich die Zielsetzung des Gesetzentwurfs teile und die vertrauliche Geburt als eine zusätzliche Möglichkeit, nicht als Ersatz für anonyme Geburt und Babyklappe eingeführt wird, enthalte ich mich in der Abstimmung über den Gesetzentwurf.