100 Tage Bundestag – kaum Zeit zum Denken…

08. Februar 2010 | Ott's Blogs | 
Die magischen ersten 100 Tage im Amt sind ein guter Anlass, nicht nur „die verlorenen ersten 100 Tage Klimapolitik der Bundesregierung“ kritisch zu betrachten (hier meine Pressemitteilung: www.gruene-bundestag.de/cms/presse/dok/325/325401.100_tage_schwarzgelb_100_verlorene_tage.html und hier mein etwas ausführlicherer Blog bei den Klimarettern: www.wir-klimaretter.de/kolumnen/kolumne-dr-h-e-ott2/5108-des-ministers-gruene-kleider ) sondern auch die eigenen Erfahrungen zu rekapitulieren.

Zumal ich seit der letzten Woche endlich ein eigenes Büro habe und nicht mehr mit meinen drei berliner MitarbeiterInnen in einem winzigen Kabuff sitzen muss! Jetzt kann es also endlich richtig losgehen. Mit einem Sekretariat in dem Sema auch arbeiten kann, mit genügend Raum für die Referenten Dino und Kai – und mit einem eigenen Raum, den ich auch mal zumachen kann um nachdenken zu können.


Überhaupt, das Nachdenken! Findet leider kaum noch statt. Hatte ich unterschätzt. Es war natürlich klar, dass Politik keine Wissenschaft ist und dass vertieftes Denken unter den Bedingungen des hektischen Parlamentsbetriebs schwierig werden würde.  Die „dicken Bretter“ die der Politiker nach dem Diktum Max Webers bohren soll sind ja auch keine gedanklichen Bohlen sondern eher Planken der Tat. Aber dass man als Politiker ÜBERHAUPT nicht mehr zum Nachdenken kommt ist eine Zumutung!

Es wird mir nichts anderes übrig bleiben als bestimmte Tage komplett zu blockieren, also keine Termine zuzulassen. Die müssen sich aber aber erstmal finden lassen…


In den Sitzungswochen unmöglich: Montag Mittags geht’s los mit mit der Bürobesprechung und ersten Gremiensitzungen. Dienstag Sitzungen der AG Umwelt, des AK2 (der Arbeitskreis der sich mit Umwelt, Energie, Verkehr und Verbraucherschutz befasst), Vorbereitung des Petitionsausschusses und Fraktionssitzung. Mittwoch ab acht Uhr Petitionsausschuss,  danach Umweltausschuss und dann ab in’s Plenum. Der Donnerstag ist ebenfalls Plenum (also Sitzungen des Bundestages) und das geht so bis Freitag Mittag (demnächst mehr dazu).


An den meisten Abenden sind Veranstaltungen von Interessengruppen, Verbänden etc. pp  – denn immer wenn Abgeordnete dabei sein sollen werden Veranstaltungen natürlich auf die Sitzungswoche gelegt, denn sonst sind die die Politiker ja in ihren Wahlkreisen… (dazu demnächst ein Blogbeitrag, denn man kann sich tatsächlich quer durch Berlin futtern und trinken in den Sitzungswochen…).


Wenn ich nicht im Plenum anwesend sein muss (weil meine Themen nicht behandelt werden) sind Gespräche mit KollegInnen wichtig (das „Netzwerken“) und natürlich gibt es auch Gespräche mit auswärtigen Gästen. Trotzdem versuche ich so viel wie möglich im Plenum zu sein – dies ist meiner Ansicht nach der eigentliche Ort der Demokratie, hier wird verhandelt und abgestimmt, hier manifestiert sich der Wille des Volkes (und auch der Wille der nicht Wahlberechtigten!).  Warum das Plenum immer so leer ist? Das wird Thema eines nächsten Blogbeitrags sein…


So, und wenn nicht Sitzungswoche ist? Immerhin ca. die Hälfte des Jahres, wenn man die Parlamentsferien abzieht?


Da tut der bzw. die Abgeordnete gut daran, sich im Wahlkreis sehen zu lassen. Bei den MdB’s die ihre Familien nicht nach Berlin mitnehmen ist das eh der Normalzustand, die fahren nach Hause und machen dort dann Wahlkreisarbeit. Die nach Berlin gezogen sind, so wie ich, die fahren für ein paar Tage in ihre Wahlkreise um dort nach dem Rechten zu sehen – was macht der grüne Kreisverband, wie läuft es im Stadtrat, wie geht’s den Leuten und wo drückt der Schuh? In Wuppertal wird gerade ein „Haushaltssicherungskonzept“ umgesetzt, die Stadt ist pleite, soziale und kulturelle Leistungen werden gekürzt und das Schauspielhaus von Pina Bausch soll dicht gemacht werden (hier mein Aufruf dagegen mit den grünen MdB KollegInnen Agnes Krumwiede und Markus Kurth: www.talmagazin.de/artikelgesamtarchiv/6888.html). Da muss ich schauen was ich tun kann um zu helfen. Auch dazu demnächst mehr…

Fazit: Viel Zeit zum Denken bleibt nicht. Manche Abgeordnete lassen es deshalb ganz sein, andere wälzen diese Aufgabe auf ihre ReferentInnen ab – allein, befriedigend ist das nicht. Denn schließlich bin ich es, den die BürgerInnen gewählt haben um ihre Interessen zu vertreten und sie haben ein Anrecht darauf dass ich meine Fähigkeiten für ihr Wohl (und das aller anderen Menschen auf diesem Planeten) einsetze. Deshalb werde ich in den sitzungsfreien Wochen regelmäßig einen oder zweiS Tage „blocken“, keine Termine machen um Zeit zu haben zum Nachdenken.


Denn Politik ist nicht nur richtige Tat – vor der Tat kommt das richtige Denken!