Zur Kantinenlage im Bundestag

22. März 2010 | Ott's Blogs | 
Ich hatte mir fest vorgenommen und auch verschiedentlich erwähnt, dass mein nächster Blog das Thema „Das Private und das Politische – über die Vereinbarkeit von Familie und Mandat“ behandeln sollte. Ich habe den Beitrag auch geschrieben. Doch schade, er war nicht gut: Viel zu langatmig und auch zu sehr im Betroffenheitsduktus. Außerdem habe ich doch vor ein paar Wochen erst zur Hektik des Parlamentsbetriebs gebloggt. Nein, dieses Thema muss sich anscheinend erstmal ein wenig setzen, kommt aber später, versprochen.

Stattdessen etwas leichtere Kost, im doppelten Sinne:  Ich bekam die Anfrage einer Schülerin, Tochter einer Chor-Kollegin  – sie müsse ein Referat schreiben und wolle das gerne über die Kantinen im Bundestag machen und, ja: „ Leider muss ich schon am Dienstag mein Referat abgeben und kann deshalb nicht selber vorbeikommen um mir alles anzugucken. Ich wollte fragen, ob sie mir ein paar Fragen einfach so beantworten könnten.“ Tja.

 

Alle Abgeordneten sind natürlich immer bemüht alle Anfragen der BürgerInnen ernst zu nehmen. Natürlich auch die der noch nicht wahlberechtigten. Schon gar wenn sie elementare Themen betreffen die für unser politisches System von entscheidender Bedeutung sind! Und was könnte wichtiger sein als die Nahrungsaufnahme der Abgeordneten – unverzichtbare Grundlage für ihre geistige Tätigkeit und natürlich auch für alle emotionalen Befindlichkeiten. Und wer wollte behaupten dass die Gemütslage eines Menschen keinerlei Auswirkungen auf die Urteilsfähigkeit habe und insofern natürlich auf die Gesetzgebungstätigkeit? Und das ist bekanntermaßen die Hauptaufgabe des Bundestages.

 

Zur Kantinenlage also. Wobei dieser Begriff bei einigen Lokalitäten erhebliche Irritationen auslösen würde. Zuallererst natürlich beim so genannten „Abgeordnetenrestaurant“ auf der Plenarebene im Reichstag gegenüber dem Kanzleramt, welches vom Käfer betrieben wird  und eine entsprechende Preisklasse aufweist. Hier geht man hin wenn man Gäste beeindrucken möchte. Aber das Frühstücksbuffet ist gut und günstig. Und auch das so genannte „Bedienrestaurant“ im Erdgeschoss des Jakob-Kaiser-Hauses (Kürzel: „JKH“) würde die Bezeichnung „Kantine“  empört zurückweisen. Dies ist der Ort für wichtige Gespräche der MdBs untereinander und für den Lunch mit Gästen um sie ungestört zu sprechen.

 

Die Bezeichnung „Kantine“ verdient am ehesten das riesige Mitarbeiterrestaurant im Kellergeschoss des JKH. Hier essen größtenteils die MitarbeiterInnen, aber auch einige Abgeordnete werden öfters gesehen wie z.B. Petra Pau von den Linken, Vizepräsidentin des Bundestages. Das Essen hier ist supergünstig und gar nicht schlecht, vor allem das „Aktionsgericht“. Kantinencharakter hat auch die Cafeteria im Reichstag, auch auf der Plenarebene. Der Kaffee ist gut und die Wienerwürste sehr begehrt, aber es gibt auch ein Salatbuffet. Hier gehen die Abgeordneten hin für den schnellen Snack wenn die Reden im Plenum gerade mal wieder ziemlich langweilig sind oder man demonstrativ ein Zeichen des Desinteresses setzen will. Leider kann es auch vorkommen, dass man neben Guido Westerwelle sitzt.  Die Cafeteria im Reichstag ist also nichts für schwache Nerven oder Mägen.

 

Wobei wir bei meinen Lieblingsplätzen wären: Mein Lieblingsrestaurant ist der „Lampenladen“ im Paul-Löbe-Haus (kurz: „PLH“), so genannt wegen seiner vielen bunten Lampen die das Ergebnis einer künstlerischen Arbeit sind. Die Bezeichnung ist natürlich auch eine Anspielung an „Erichs Lampenladen“ – so wurde wegen seiner Lampen im Foyer der kürzlich abgerissene Palast der Republik genannt, das Parlamentsgebäude der DDR. Der Lampenladen im Bundestag hat vor allem eine spektakuläre Aussicht, liegt er doch direkt an der Spree und sozusagen auf Wasserhöhe gegenüber vom Marie-Elisabeth-Lüders-Haus (kurz: „MELH“). Dazu eine sehr gute Küche mit vielen direkt frisch zubereiteten Speisen. Bedient wird allerdings nicht, man muss sich in Schlange einreihen. Deshalb nichts für Gäste. Aber es ist beliebt sowohl bei Abgeordneten als auch bei MitarbeiterInnen.

 

Diesen egalitären Charakter besitzt in noch höherem Maße die Espressobar direkt gegenüber, in der Unterführung vom Reichstag zum Paul-Löbe-Haus. Hier gibt es den besten Espresso im Bundestag und außerdem belegte Baguettes, Salat, Kuchen, Sweets, Getränke und die unvermeidlichen Wiener Würstchen. Mein absoluter Tipp deshalb und weil hier wirklich alle zusammen sitzen: Nicht nur Abgeordnete, ReferentInnen,  Sachbearbeiter und SekretärInnen, sondern auch der Monteur im Blaumann. Vive l’égalité!

 

Hier – und nur hier – ist der Bundestag wahrhaft republikanisch!

 

Die Kantinenlage des Bundestags ist deshalb nicht nur von einiger Bedeutung für die Gesetzgebung der Bundesrepublik, sie verdeutlicht auch blitzlichtartig die Lage unsere Demokratie in Deutschland. Es gibt klare Unterschiede in Komfort, Preisklasse und Qualität – doch treffen sich alle zu einem guten Espresso im Tunnel zum Reichstag. Vielleicht sollten wir doch alle ein wenig italienischer werden. Im Lebensstil, nicht in der Politik versteht sich…

 

P.s.: Der Autor ist sich bewusst dass die vorstehende Skizze extrem subjektiv und deshalb parteiisch ist. Eine gründliche Analyse der komplexen Zusammenhänge zwischen Kantine und Gesetzgebung soll einer wissenschaftlichen Arbeit vorbehalten bleiben deren Abfassung hiermit empfohlen wird.

 

P.p.s.: Dank an Vivian für die Anfrage!

 

P.p.p.s.: Dank an meine Büroleiterin Sema Binia für die exzellente Kurzrecherche inkl. Preisen der Gerichte etc. Eine  detaillierte Beschreibung wird auf Anfrage gegen Einsendung eines frankierten Briefumschlags verschickt.